Welche Auffassung vertreten Sie zur geplanten Aufnahme von Kinderrechten als Staatszielbestimmungen in die Thüringer Verfassung durch den o. g. Gesetzentwurf (Drucksache 7/897)? Haben Sie Anmerkungen zu einzelnen Bestimmungen?

Verfassungsänderung – Kinderrechte

Entwurf vom 05. Juni 2020
Eingebracht durch Mehrere Initiatoren
Federführender Ausschuss Verfassungsausschuss
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Die Diskussion ist seit dem 14.10.2020 abgeschlossen

Zurzeit befindet sich der Gesetzentwurf der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 7/897) in der parlamentarischen Diskussion. Nachfolgend können Sie Ihre Meinung zu dem Gesetzentwurf im Hinblick auf den Teilaspekt der Kinderrechte abgeben, mit dem sich der Verfassungsausschuss derzeit befasst. Mit Ihren Beiträgen, Ihren Erläuterungen oder Ihrer Kritik können Sie Einfluss auf die Arbeit des Verfassungsausschusses nehmen.

Diskutieren Sie mit!

Die von Sachverständigen, Interessensvertretern und anderen Auskunftspersonen im Rahmen eines Anhörungsverfahrens eingereichten Stellungnahmen können mit Zustimmung der Angehörten hier in der Beteiligtentransparenzdokumentation eingesehen werden.

Welche Auffassung vertreten Sie zur geplanten Aufnahme von Kinderrechten als Staatszielbestimmungen in die Thüringer Verfassung durch den o. g. Gesetzentwurf (Drucksache 7/897)? Haben Sie Anmerkungen zu einzelnen Bestimmungen?

13. Oktober 2020 | Gast | Leuchtturm für Kinder Thüringen
Leuchtturm für Kinder Thüringen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Kinderrechte sehen auch wir als sehr wichtiges Thema. Kinder sind Menschen. Für sie gilt die Verfassung bereits jetzt – nicht nur Artikel 19. Der Gesetzesentwurf nennt unter „Problem und Regelungsbedürfnis“ „die Notwendigkeit, einen stärkeren Fokus auf die wirksame Umsetzung der Rechte und des Schutzes von Kindern und Jugendlichen zu legen“. Auch wir sehen die Notwendigkeit, die Umsetzung (!) zu fördern. Es hapert an der mangelnden Umsetzung bereits bestehender Rechte und des Schutzes von Kindern und Jugendlichen. Wer einmal in die Mühlen von Familiengericht und Jugendamt geraten ist weiß, wovon wir sprechen.

Die Umsetzung wird allerdings nicht befördert, wenn man dem geduldigen Papier namens Verfassung eine weitere Passage hinzufügt. Die Passage zum Gesetzesentwurf „Hinsichtlich des neuen Staatsziels aus Artikel 19 der Verfassung des Freistaats Thüringen sind Mehrkosten zu erwarten, soweit in der Praxis Kinder und Jugendliche tatsächlich stärker in Entscheidungsprozessen bei Behörden einbezogen werden.“ bekräftigt dies mit dem Wort „tatsächlich“. Die Überzeugung, dass der neue Gesetzesentwurf umfassend in der Praxis umgesetzt werden wird, ist offensichtlich auch bei seinen Befürwortern nicht vorhanden. Wozu ist der neue Gesetzesentwurf dann gut? Er bietet die Grundlage zur Entrechtung von Eltern und Stärkung von Jugendämtern.

Das tatsächliche Problem der Umsetzung der Kinderrechte und des Kinderschutzes wird dadurch nicht angegangen. Bspw. ist in § 159 FamFG die persönliche Anhörung des Kindes festgeschrieben. Viele betroffene Kinder beklagen sich darüber, dass sie nicht gehört werden in ihren Wünschen, Nöten und Sorgen. Der Kindeswille sei nicht dem Kindeswohl dienlich. Oftmals wird Druck auf sie ausgeübt, oder Fragen werden suggestiv gestellt. Wie kann so Mitsprache funktionieren, wenn Kinder in ihren bereits bestehenden Rechten nicht ernst genommen werden?

Der neue Gesetzesentwurf sieht vor „Bei allem staatlichen Handeln, das Kinder betrifft, ist das Wohl des Kindes wesentlich zu berücksichtigen.“ Auch jetzt schon sollte dies so sein. Nur, was verstehen staatliche Stellen unter dem „Wohl des Kindes“? Zu viele staatliche Stellen sehen bspw. die Trennung von Kleinkindern von ihrer Hauptbindungsperson über einen längeren Zeitraum als mit dem Wohl des Kindes vereinbar. So lange die Floskel „Wohl des Kindes“ dehnbar wie Kaugummi ist, wird sich hier für Kinder nichts zum Positiven verändern.

Was es braucht, sind staatliche Stellen, die die Bedürfnisse von Kindern kennen, die wissenschaftlich fundiertes Wissen über die Entwicklung von Kindern haben, die dieses zu jedem Zeitpunkt umsetzen und in der Umsetzung Transparenz und Kontrolle unterliegen. Aktuell finden viele Vorgänge für die Öffentlichkeit nicht überprüfbar hinter verschlossenen Türen statt. Willkürliche Entscheidungen, deren Leidtragende in erster Linie die Kinder sind, sind das Resultat. Menschen im Staatsdienst, die mit Kindern interagieren, sollten nachweislich über Sozialkompetenz verfügen und im Umgang mit Kindern geschult sein.

Wir plädieren für die tatsächliche Umsetzung bereits bestehender Kinderrechte, nicht die Erweiterung der Möglichkeiten des Eingriffs von staatlichen Stellen, die schon heute vielfach nicht zum Kindeswohl handeln.

Mit freundlichen Grüßen
Leuchtturm für Kinder Thüringen

13. Oktober 2020 | Gast | Julian Grosche (UNICEF Team Jena)
Sehr geehrte Damen und…

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

Es ist sehr erfreulich, dass endlich die Kinderrechte stärker rechtlich abgesichert werden sollen. Sie werden trotz des Inkrafttretens der UN-Kinderrechtskonvention seit 1992 und der einschlägigen Rechte nach der EU-Grundrechtecharta immer noch oft nicht ausreichend berücksichtigt.
Ihre Umsetzung ist in der heutigen Rechts- und Verwaltungspraxis leider in vielen Gebieten noch mangelhaft - insoweit ist Frau Preiß auch zuzustimmen, aber genau deshalb braucht es eine stärkere rechtliche Absicherung der Kinderrechte.

Folglich ist ganz klar zu begrüßen, dass der vorliegende Gesetzesvorschlag dem Kindeswohl in staatlichen Entscheidungen ausdrücklich "wesentliche" Bedeutung zuspricht.
Allerdings kann ein Staatsziel nur ein erster Schritt sein, neben dieser objektiven Zielsetzung braucht es auch verbriefte subjektive Rechte auf altersangemessenes rechtliches Gehör und Beteiligung bei Entscheidungen, die Kinder betreffen.
Zudem könnten auch ein Verweis auf Art. 24 EU-GrCH und eine Absenkung des Landtagswahlalters die Rechte und Beteiligung Minderjähriger fördern.
Insgesamt ist dieser Gesetzesvorschlag unserer Ansicht nach ein guter Schritt zur Umsetzung der Kinderrechte.

Hochachtungsvoll,
Julian Grosche
(Mitglied des UNICEF Teams Jena, allerdings hat die Abstimmung mit der Zentrale in Köln zu lange gedauert, um für UNICEF Stellung nehmen zu können)

08. Oktober 2020 | Gast | Katja Preiß
Kinder respektieren beginnt beim eigenen Handeln

Kinder sind Menschen und deren Grundrechte zu wahren hat sich unser Grundgesetz auf die Fahne geschrieben. Heben wir nun die Rechte der Kinder besonders hervor dann öffnet das ein Tor für weitere Zielgruppen (Ältere, Behinderte etc) und die Frage ist, wo dies alles enden soll. Ich befürchte eine Lawine an neuen Gesetzen für eine Sache, die doch eigentlich durch die Grundrechte bereits abgedeckt sein sollte. Daß Kinder besonderen Schutz benötigen, steht außer Frage, aber sobald Familien gestärkt und bei Bedarf besser unterstützt werden, kommt dies auch den Kindern zu Gute. Dazu zählt nach wie vor eine bessere finanzielle Stellung von berufstätigen Eltern, die Bereitstellung von Kinderbetreuung, mehr Maßnahmen zur Beseitigung von Kinderarmut, Unterstützung von Alleinerziehenden und generell ein höheres Ansehen von Familie in der Gesellschaft. Auch daß Frauen, die sich zu Hause um ihre Kinder kümmern und aus diesem Grund aus dem Berufsleben ausscheiden abschätzend als „Hausfrauen“ bezeichnet werden, zeigt deutlich, daß es in unserer Leistungsgesellschaft nicht angesehen ist, „nur“ zu Hause zu sein und sich um Kinder zu kümmern.
Das dritte von Frau Dr. Giffey genannte Prinzip (Kindeswohlprinzip) sollte auch weiterhin in der Verantwortung der Eltern liegen, die ihr Kind am besten kennen. Zu oft erleben wir es, gerade auch momentan in „Corona“ Zeiten, daß der Staat über den Kopf der Eltern und Kinder hinweg Maßnahmen angeblich zu deren Schutz ergreift, ohne ihre Meinung einzuholen (ein deutlicher Verstoß gegen Prinzip 4 Recht auf Beteiligung). Da wird eine Maskenpflicht für Kinder beschlossen, ohne Studien vorlegen zu können, daß das Tragen von Masken über längere Zeiträume hinweg für Kinder gesundheitlich unbedenklich und unschädlich ist. Die zahlreichen Beschwerden der Kinder und Eltern über gesundheitliche Beeinträchtigungen werden überhört und Behörden und Institutionen setzen sich über klagende Kinder hinweg indem sie ihnen teilweise gewaltsam Masken wieder aufziehen. Es ist einfach über Kinderrechte zu sprechen, wenn sich aber Schulleiter /Lehrer (leider oft auch Eltern) einfach über das Vorhandensein dieser Rechte hinwegsetzen und Kinder tausendfach zu Hause über Kopfschmerzen, Übelkeit oder Müdigkeit plagen, frage ich mich, inwiefern diese Personengruppen das Konstrukt Kinderrecht überhaupt verinnerlicht haben. Es bedarf meiner Meinung nach einfach nur ein Umdenken, dafür braucht es keine Verfassungsänderung!